Wir sprachen mit Uwe Hager, dessen Agentur o-tone music in diesem Jahr das 25-jährige Jubiläum feiert.

Wie kam es vor 25 Jahren zur Gründung Ihrer Künstleragentur o-tone music?

Vor 25 Jahren war ich noch Student und studierte final Musikwissenschaft, Musikpädagogik und Soziologie. Konzerte zu organisieren, war schon damals fester Bestandteil für mich. Innerhalb der Uni hatten wir einige Festivals ins Leben gerufen. Als ich damals die Chance bekam, u.a. Labels wie Prestige, Pablo, Milestone, Riverside, Contemporary, Fantasy zu betreuen, kam auch der Wunsch auf, weitere Labels zu gründen (z.B.  Brown Sugar rec. als rare groove label, Village mit dt. Jazzveröffentlichungen oder im Blues & Bluesrock das Label Pepper cake oder BHM im Groove/Funk-Bereich) und damit natürlich viele Künstler, die auch danach fragten, ob man bei der Planung von Konzerten oder Tourneen behilflich sein konnte. So ergab es sich peu a peu, dass ich mehr und mehr Konzerte plante und in einer Nische mit meiner Firma o-tone music wachsen konnte.

Wie hat sich Ihr Portfolio, Ihre Arbeit in den letzten 25 Jahren verändert?

Stilistisch sind wir noch vielfältiger geworden in dem, was man als Jazz oder jazzverwandt beschreiben kann. Neben Erzählkonzerten sind auch immer neue Bands dazugekommen, die sich bei uns beworben haben. Leider kommen wir mittlerweile kaum hinterher mit dem Hören der ganzen Band-Bewerbungen, die wir täglich erhalten. Es gibt aber sehr viel spannende junge Acts. Sprich, die Kreativ-Szene ist agil, aber den Nachwuchs aufzubauen, wird nicht leichter.

Warum wird es auch in Zukunft für Künstler:innen nicht ohne Agentur im Zeitalter von Selbstvermarktungsmöglichkeiten wie Social Media und TikTok gehen?

Unsere Aufgabe als Artist Management ist es, eher den Blick auf die Entwicklung zu richten und Empfehlungen auszusprechen. In Analysen immer wieder zu besprechen, wo man als Act gerade steht und wo man sich in 2 bis 3 Jahren sehen möchte. Wie die Welt und der Markt reagiert und was wir tun sollten ... alles oft in einer zeitaufwendigen beratenden Funktion. Das innermusikalische Fachwissen hilft uns auch, historische Bezüge zu hören, zu erläutern und Assoziationen zu kontextualisieren – sprich, zu versuchen, das Besondere herauszuarbeiten. Reicht die gute musikalische Qualität heute aus, eine künstlerische Entwicklung ohne Social Media Kanäle zu ermöglichen? Gerade, wenn man versucht, ein jüngeres Publikum anzusprechen? Ob TikTok da eine immer wichtigere Rolle bei Jazzkünstler:innen spielen wird, wird man noch sehen, aber für eine heute heranwachsende Generation von Musikern wird das normal werden, und mal schauen, was danach kommen wird. Man sagt, Facebook sei out. Bei 20-Jährigen schon, bei 40-Jährigen ist es die Plattform Instagram, aber 50-Jährige, die mit Facebook groß geworden sind, haben dort ihre Fans. Also der stetige Wandel ist gewiss und dieser geht schneller voran, als man denkt, was wiederum oft sehr viel Zeit in Anspruch nimmt.

Gibt es Künstler:innen, die Sie die gesamte Zeit, seit Beginn Ihrer Agentur begleitet und betreut haben, oder sind Wechsel ein ganz normaler Prozess?

Manche würden wir noch betreuen, wenn es ihre Gesundheit zuließe und sie noch fit wären, andere sind leider schon verstorben. Manche Bands haben sich aufgelöst (Familienplanung oder einfach unterschiedliche Entwicklungen der Bandmitglieder), andere wurden weggeworben oder hatten andere Pläne und kamen oder kommen auch wieder bald zurück, Neue Acts kommen dazu und und und. Fast keine Ehe hält heute noch 25 Jahre und es gehört dazu, unterschiedliche Wege zu gehen – auch wenn es da oder dort weh tut, für uns oder auch einem Act, wo Anspruch und Wirklichkeit zu stark auseinanderfallen. Aber wie heißt es so schön: „Wo eine Tür zugeht, geht wieder eine andere auf.“ Und so stellen wir uns heute den Herausforderungen des Marktes und wachsen auch noch in schwierigeren kulturellen Zeiten.

Seit 2020 steht die Welt und speziell die Kulturbranche Kopf. Und vieles wird erst noch spürbar werden. Wie haben Sie die Zeit der Konzertausfälle und -verschiebungen gemeistert und wie sind Sie für die Zukunft aufgestellt?

Wir haben ca. 450 Konzerte mehrfach verlegt in der Corona-Zeit! Es war hart, ins Büro zu kommen und schlicht nur Absagen zu erhalten. Was für eine frustrierende Arbeit, aber wir haben sie irgendwie doch gemeistert und versucht, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Leider gab es in dem Zeitraum auch etliche Künstler:innen, die ihre Karriere an den Nagel gehängt haben und einfach einen anderen Job anfingen, der ihnen mehr Sicherheit und vor allem eine bessere Lebensplanung ermöglichte. Wie verrückt muss man sein, heute noch eine Karriere in unserem Genre zu planen? SEHR! Aber deswegen machen wir es ja auch.

Sie sind selbst Jazzmusiker, spielen Klavier. Kommen Sie noch zum Spielen, zum Auftreten?

Ich würde gerne mehr, aber zeitlich geht es oft nicht, alles unter einen Hut zu bekommen.   Ich gebe Solo-Konzerte oder spiele im Quintett. Bei uns im Club spielen wir im Mai wieder Tracks von Mingus, Coltrane und Monk etc. Solistisch entwickle ich da und dort für mich Neues am Fender Rhodes, Wurlitzer oder Flügel und bastle an Material, das zwischen Neoklassic und Jazz beheimatet ist. Ja, ich spiele fast täglich ca. 1 Stunde für mich, das hilft, den Bürojob etwas auszugleichen und ist eine Art Meditation oder Reise ins Off oder „on the Edge“.

 

Neben Ihrer Arbeit in der Agentur sind Sie Initiator verschiedener Veranstaltungsformate wie Jazz & World in der Lutherischen Pfarrkirchengemeinde St. Marien in Marburg oder dem Piano Festival in Gießen als Bestandteil des Kultursommers Mittelhessen. Wie steht es um die Veranstaltungen und was ist für 2024 geplant?

Wir werden wieder ein paar heimische Konzerte im Jahr 2024 planen und verstärkt aber in 2025/2026 loslegen. In 2024 haben wir einen anderen Schwerpunkt, da wir das Label stärker ausbauen werden. Einen alten Freund von mir – Musikproduzent Joachim Becker – begrüßen wir mit seinen beiden Labels neu bei uns im Team. Wir kennen uns schon recht lange aus damaligen EFA-Zeiten und hatten bereits in der Vergangenheit immer wieder zusammengearbeitet, damals als Geschäftsführer des Labels BHM mit Veröffentlichungen von tok tok tok, Maceo Parker oder Joe Zawinul  u.v.a. Neue VÖs sind ab Juni 24 geplant. Dann mit tollen Neuentdeckungen wie dem armenischen Pianisten Tigran Tatevosyan oder mit Markus Stockhausens neuem Album „CELEBRATION“,  einem Tribute To Curtis Mayfield mit Ledisi, Bilal, Vince Mendoza & der WDR Big Band und dem WDR Rundfunkorchester, den neuen Alben von Simon Oslender/Steve Gadd/Will Lee, Mark Lettieri, Alma Naidu, WDR Bigband – Tribute To Chick Corea, Trilok Gurtu, Jakob Bänsch u.v.a., um nur einige zu nennen auf dem Jazzline bez. Leopard Label. Es bleibt also spannend, der Katalog wird wachsen.